| Verwaltungsgericht Koblenz

Thema „Mittelrheinbrücke“ muss auf die Tagesordnung des Kreistags des Rhein-Hunsrück-Kreises

Pressemitteilung Nr. 4/2018

Im Juni 2017 beantragten die Kreistagsfraktionen der SPD, der Freien Wähler und der FDP bei dem im Verfahren beklagten Landrat des Rhein-Hunsrück-Kreises, einen von ihnen unterbreiteten Beschlussvorschlag zur Mittelrheinbrücke auf die Tagesordnung der nächsten Kreistagssitzung zu nehmen. Darin sollte im Wesentlichen der Landesbetrieb Mobilität mit der Erstellung von Unterlagen für und der Einleitung des Raumordnungsverfahrens (kostenpflichtig) beauftragt werden. Ferner sollte das Land gebeten werden, alle möglichen Schritte zu unternehmen, damit dieses Verfahren zügig gestartet werden könne. Weitere Entscheidungen und finanzielle Beteiligungen sollten einer einvernehmlichen Regelung zwischen dem Land und den beiden anliegenden Kreisen vorbehalten bleiben. Die Aufnahme in die Tagesordnung lehnte der Beklagte ab. Der Kreistag dürfe sich nur mit Angelegenheiten befassen, die zu seinem Aufgabenbereich gehörten. Darunter sei der Antrag der Klägerinnen nicht zu fassen. Aufgrund eines vorliegenden Gutachtens und auch nach Ansicht des Landesrechnungshofs werde es sich bei der Mittelrheinbrücke voraussichtlich nicht um eine Kreisbrücke, sondern um eine Brücke in Landes- oder Bundeszuständigkeit handeln. Der Kreistag könne daher darüber nicht beraten.

Die Klägerinnen halten die Ablehnung für rechtswidrig. Ihnen stehe ein Rechtsanspruch auf Aufnahme des Antrags in die Tagesordnung zu. Dies folge aus dem Fraktionsstatus der Klägerinnen, aber auch mit Blick auf die örtliche und tatsächliche Betroffenheit des Kreises von dem Vorhaben. Soweit in dem Antrag u. a. eine finanzielle Beteiligung des Kreises mit freiwilligen Eigenmitteln vorgesehen sei, falle dies in die Zuständigkeit des Kreistags für den Haushalt und die Übernahme freiwilliger Aufgaben. Die Klägerinnen begehrten zunächst die Aufnahme des Wortlauts des Beschlussvorschlages in die Tagesordnung. In der mündlichen Verhandlung beantragten sie nach Hinweis des Gerichts, den Inhalt ihres Beschlussvorschlages als Beratungsgegenstand „Mittelrheinbrücke“ auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Kreistages zu setzen.

Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg. Die Klägerinnen hätten nach der Änderung ihres Antrags in der mündlichen Verhandlung einen Anspruch darauf, dass der Inhalt ihres Beschlussvorschlags als Beratungsgegenstand „Mittelrheinbrücke“ – allerdings vorbehaltlich der Zustimmung des Kreisvorstands – in die Tagesordnung der nächsten Kreistagsitzung aufgenommen werde, urteilte das Koblenzer Verwaltungsgericht.

Der zuletzt angestrebte Beratungsgegenstand betreffe eine Angelegenheit, die zu den Aufgaben des Kreistags gehöre. Der Bau einer Mittelrheinquerung im Bereich des Rhein-Hunsrück-Kreises sei eine durch ortsbezogene Bedürfnisse und Interessen gekennzeichnete Angelegenheit. Insoweit bestehe eine Befassungs- und Äußerungskompetenz des Kreistags. Hiervon gehe auch der beklagte Landrat aus. Soweit der Beratungsgegenstand auch auf die kostenpflichtige Beauftragung des Landesbetriebs Mobilität zur Erstellung von Unterlagen zur Vorbereitung eines Raumordnungsverfahrens gerichtet sei, berechtige dies nicht zur Verwerfung der Tagesordnungsinitiative. Vielmehr sei ein einheitlich zu verstehender Beratungsgegenstand auch dann in die Tagesordnung zu übernehmen, wenn er nur teilweise Angelegenheiten betreffe, die zu den Aufgaben des Kreistags gehörten, sofern diese für die Bestimmung des Beratungsgegenstandes nicht von völlig untergeordneter Bedeutung seien. Die verfahrensmäßige Behandlung des restlichen Teils des Beratungsgegenstandes im Kreistag unterliege dann der Leitungs- und Rechtsgewährungskompetenz des Landrats. Dies gebiete eine weite, die Transparenz und Breite des demokratischen Diskurses sichernde Auslegung des Initiativrechts von Fraktionen.

Unabhängig davon lasse sich eine Ablehnung der Tagesordnungsinitiative derzeit auch nicht damit begründen, dass es sich bei der favorisierten Brückenvariante „Tieflage außerhalb“ bei St. Goar-Fellen/St. Goarshausen-Wellmich nicht um eine Baumaßnahme in Trägerschaft (auch) des Rhein-Hunsrück-Kreises handele. Dem Landrat stehe hierzu zwar ein materielles Prüfungs- und Verwerfungsrecht zu. Nach dem Gesetzeszweck müsse dabei jedoch eine gewisse Offensichtlichkeit der fehlenden Zuständigkeit des Kreistags für den Beratungsgegenstand gefordert werden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Kompetenzfrage kommunalpolitisch und rechtlich kontrovers diskutiert werde und – wie hier – den Inhalt des Beratungsgegenstandes gleichsam überlagere. Nach diesem, für das Gericht ebenfalls bindenden Prüfungsmaßstab sei die Ablehnung der Tagesordnungsinitiative der Klägerinnen derzeit unzulässig. Denn die vom Beklagten zur Trägerschaft für das Bauvorhaben angeführten Gutachten träfen insoweit keine hinreichend belastbare Aussage. Sie beruhten, was die tatsächlichen verkehrlichen Auswirkungen des Vorhabens angehe, auf einer Verkehrsuntersuchung aus dem Jahr 2009. Deren Datenbasis stamme aus dem Jahr 2000; sie gebe zudem keinen Aufschluss über die Quell- und Zielbereiche der die Brücke querenden Mischverkehre. Eine abschließende Beurteilung der straßenrechtlichen Einstufung des Vorhabens sei auf dieser Grundlage nicht rechtssicher möglich. Daher könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der angestrebte Beratungsgegenstand offenkundig und zweifelsfrei nicht zu den Aufgaben des Kreistags gehöre.

Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten die Einlegung der Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.

(Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 23. Januar 2018, 1 K 759/17.KO)

Die Entscheidung kann hier abgerufen werden. 

 

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